Delta bei Kvikkjokk von Oben

Lappland: Kvikkjokk und das Delta des Kamajokk

In Europa, Schweden by NaddlLeave a Comment

Kvikkjokk ist das Dead End der Landstraße 805 in Schweden und der letzte Ort im Westen Lapplands, bevor lange Zeit bis zur norwegischen Grenze nicht ein Hauch von Infrastruktur erscheint. Es ist das Tor zu einem der letzten Wildnisgebiete Europas. Hierhin verirren sich fast nur noch Menschen, die Interesse an ausgedehnten Elchjagden haben oder Weitwanderer, die den Sarek Nationalpark oder den berühmten Kungsleden zu Fuß erkunden möchten. Doch auch für all diejenigen, die nicht unbedingt das große Abenteuer suchen, hat Kvikkjokk einiges zu bieten. Hier, wo der wilde Kamajokk (Kamajåkkå) und der gemächliche Tarraälven aufeinandertreffen, entsteht das wunderschöne Delta von Kamajokk und das Seengebiet des Saggat – ein wahres Paradies für Wildtiere.

Kamajokk heißt übersetzt „donnernder Fluss“ und dieser Name kommt nicht von ungefähr: tosend rauscht er in mehreren Kaskaden neben der roten STF-Fjällstation hinab. Dahinter erstreckt sich ein bunter Birken -und Fichtenwald bis zum Horizont, der lediglich durch die Berge Vallespiken und Prinskullen begrenzt wird. Weiter hinten recken sich die 2000er Gletscher des Pårtemassivs in den Himmel. Kvikkjokk glänzt mit alldem, was man mit Schwedisch-Lappland verbindet: riesige, sanfte Seenlandschaften, rauschende Flüsse, weiße Gletscher und unberührter Wald.

Zu gerne wären wir von Kvikkjokk aus auf den Gipfel des Skierffe gewandert. Leider hat uns zu der späten Reisezeit das Wetter bzw. der beendete Bootsverkehr über den Laitaure See einen Strich durch die Rechnung gemacht. Zu der Zeit war es deutlich einfacher und ungefährlicher, den Skierffe von Tjåmotis aus zu besteigen (Blogbeitrag zur mehrtägigen Wanderung mit Zelt nach Aktse und auf den Skierffe). Da uns die Aufnahmen vom Delta des Kamajokk allerdings nicht losgelassen haben, entschlossen wir, unsere müden Beine in Årrenjarka zu erholen und Kvikkjokk von dort im Rahmen eines Tagesausflugs zu besuchen.

Delta bei Kvikkjokk von Oben
Von Oben sind das Delta des Kamajokk und der Saggat besonders beeindruckend

Kvikkjokk – das Dorf am Ende der Welt

Kvikkjokk selbst kann nicht wirklich mit besonderen Sehenswürdigkeiten aufwarten. Vielmehr ist es die unglaubliche Natur, die das kleine Dorf am Tor des Sarek Nationalparks glänzen lässt. 120 km von Jokkmokk entfernt, liegt es neben dem faszinierenden Delta des Kamajokk, zwischen schneebedeckten Gipfeln und umgeben von unberührten, weiten Wäldern, in denen Elche und Bären leben. Mehrere verzweigte Flussarme, Wasserfälle und Stromschnellen ziehen durch das Dorf und bieten ein besonderes Naturschauspiel. Das berühmteste Bauwerk in Kvikkjokk ist wohl die urige und traditionelle Holzkirche aus dem Jahr 1907.

Die STF Kvikkjokk-Fjällstation ist ein wichtiger touristischer Angelpunkt in der Region. Hier gibt es einen sehr großen Parkplatz (der allerdings zu Hauptreisezeiten trotzdem voll werden kann), ein kleines Café und eine Information über touristische Aktivitäten. Außerdem starten an der Berghütte einige der besten Wanderwege in Lappland. So verläuft zum Beispiel der berühmte Kungsleden durch das kleine Örtchen. Der Königspfad ist einer der beliebtesten Weitwanderwege Europas.

Das Kamajokk Delta bei Kvikkjokk
Sandbänke im Kamajokk Delta bei Kvikkjokk
Bootsanlegesteg in Kvikkjokk
Vom Bootsanlegesteg in Kvikkjokk starten die Rundtouren auf dem Delta

Das Delta des Kamajokk

Im Deltagebiet von Kvikkjokk treffen der aus dem Norden kommende wilde Kamajokk auf den aus dem Padjelanta Nationalpark strömenden ruhigen Tarraälven. In ihrem weiteren Verlauf schlängeln sich mehrere Flussarme durch ein weitläufiges Seengebiet mit unzähligen Lagunen und Halbinseln. Durch mitgeführtes Sediment und Gletscherschutt wirkt der Kamajokk grau-grün, so dass sich im Delta die unterschiedlichsten Blautöne vermischen. Die starke Verzweigung des Deltas bietet Tieren ausreichend Schutz und Nahrungsquellen, so dass nicht nur Elche zu den häufigen tierischen Besuchern zählen.

Eine besonders schöne Möglichkeit, das verschlungene Delta kennenzulernen, ist eine Wanderung auf den 749 Meter hohen Prinskullen oder eine Bootsrundfahrt mit Björn Sarstad. Da auch für die Wanderung eine kurze Flussüberquerung mit dem Boot notwendig ist, könnt ihr euch überlegen, gleich eine Rundtour durch die Lagunenladschaft mitzubuchen. Björn´s Telefonnummer (Tel.: 46 (0)702053193) hängt an dem Bootsanleger in Kvikkjokk – als wir ihn angerufen haben, war er sofort und spontan bereit, uns die Flusslandschaft näher zu bringen! In der Hauptsaison starten vom Hubschrauberlandeplatz zudem Aussichtsflüge über das Kamajokk Delta bis hin zum Rapadalen.

Der wilde Kamajokk in Schwedisch Lappland
Die Stromschnellen des wilden Kamajokk

Unsere Bootstour auf dem Delta des Kamajokk

Treffen mit Björn Sarstad

Nicht einmal 15 Minuten nach unserem Anruf rauscht ein rotes, kleines Motorboot auf uns zu. Ehrlich gesagt, sind wir ziemlich froh darüber, denn trotz des Sonnenscheins liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt. Kein Wunder, dass Kvikkjokk an diesem Oktobertag schon so gut wie im Winterschlaf steckt. Außer uns hat sich lediglich ein weiteres Paar an das Ufer des ruhigen Kamajokk Deltas verirrt. Als wir das einnehmende Lächeln im Gesicht des Bootsführers sehen, ist uns sofort klar: das muss Björn sein! Diese Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die er mit jeder Pore ausstrahlt, ist in der heutigen Zeit selten geworden…

Björn Sarstad bietet Bootstouren auf dem Delta bei Kvikkjokk an
Bootsführer Björn Sarstad und seine schwedische Voralberg-Mütze ;)

Durch den Amazonas von Schweden

Wir begrüßen uns mit einem festem Händedruck, Björn hilft uns charmant in sein schaukeliges Boot und überredet währenddessen noch schnell das andere Paar uns zu begleiten. Zack – ein, zwei Fragen, woher wir kommen und ein, zwei Witze später erreichen wir auch schon unsere erste „Sehenswürdigkeit“ auf dem Delta des Kamajokk. An der Flussmündung vom Kamajokkk in den Taraälven fällt das Wasser über mehrere Kaskaden hinab. Das ist besonders zur Schneeschmelze im Frühjahr ein besonders eindrückliches Erlebnis.

Nachdem uns Björn über die Herkunft seiner Vorarlberg-Mütze aufgeklärt hat, lenkt er sein rotes Boot tiefer in das Delta hinein. Hätte der Herbst die lappländische Natur nicht schon in die buntesten Farben getaucht, könnte man meinen, wir gleiten durch das Amazonasgebiet. Die Flussarme sind so eng und zugewuchert, dass uns kein zweites Boot entgegenkommen dürfte. Ständig halten wir nach Elchen Ausschau, die das energiereiche Seegras im Delta lieben. Björn klärt uns aus, dass Elche bis zu 6 Meter tief tauchen können. Leider sind die imposanten Tiere sehr scheu und kommen vor allem in den Abendstunden zum Fressen ans Ufer.

Der Miertekjaure

Als wir die engen Flussarme verlassen, breitet sich eine komplett andere Landschaft vor uns aus. Idyllisch liegt der breite Miertekjaure vor uns, dessen baumfreies, flaches Ufer einen tollen Blick auf das schneebedeckte Pårtemassiv erlaubt. Doch was ist das? Auf einer Sandbank des Deltas entdecken wir einen braunen, großen Körper. Björn lenkt das Boot näher heran und wir finden den Kadaver eines Elchbullen. Höchstwahrscheinlich ist er Opfer einer Jagd geworden, bei der nur das Fleisch mit einem Helikopter abtransportiert wurde. Fell und Innereien wurden zurückgelassen. Auch hier oben in der vermeintlich letzten „Wildnis“ Europas ist der Wandel der Zeit überdeutlich zu spüren. Jagdgebiete werden mit Helikoptern oder Drohnen abgesucht und die Spürhunde sind mit modernen GPS-Sendern ausgerüstet.

Das Wasser im Miertekjaure ist so flach, dass unser kleines Boot ständig an einer der zahlreichen Sandbänke auf Grund läuft. Genug Zeit, um Björn über den Wintertourismus in Kvikkjokk und die Kultur der Samen zu löchern. Irgendwann geben wir es auf, den Miertekjaure zu durchqueren und fahren zurück ins Delta, wo Björn uns in weitere enge Flussarme manövriert.

Von der Pfarrersseite, Silberschmelze und Kartoffelfeldern…

Begeistert zeigt er uns die Pfarrersseite von Kvikkjokk, die links vom Kamajokk liegt und sein eigenes Kartoffelfeld. Außerdem erfahren wir einiges über die Zeit der Silberschmelze und die Geschichte des kleinen Örtchens am Ende der Welt. Nach circa 60 Minuten sind wir ziemlich durchgefroren zurück am Bootsanlegesteg. Björn lacht und erzählt uns freudestrahlend, dass er es ja nicht weit bis nach Hause hat. Wir sollten allerdings noch die Gelegenheit nutzen und einen kurzen Spaziergang am Ufer des Kamajokk machen, bevor wir wieder abreisen. Was soll ich schreiben? Natürlich haben wir uns das nicht nehmen lassen und natürlich wurden wir auch hier nicht enttäuscht von Lapplands Landschaft, die mehr ist, als einfach nur ein Fotospot neben dem anderen. Danke Björn!

Anreise von Jokkmokk nach Kvikkjokk

Von Jokkmokk verläuft die gut ausgebaute 805 Richtung Kvikkjokk. Alleine die Fahrt auf dieser Straße ist schon eine Sehenswürdigkeit für sich! 130 Kilometer geht es an tosenden Flüssen, bunten Wäldern und einer vernetzten Seenlandschaft vorbei. Mit etwas Glück kann da schon die Anreise schon zu einer Elch -oder Rentiersafari werden. Zu der Navigation gibt es nicht viel zu sagen: ihr bleibt so lange auf der 805 bis die Straße an dem großen Parkplatz oberhalb der STF-Fjällstation endet.

Reiseführer über Schwedisch-Lappland: unsere Tipps*

Übernachtung in Kvikkjokk

Wir haben auf dem wirklich wunderschönen Campingplatz der Årrenjarka Fjällby gezeltet und Kvikkjokk in einem Tagesauflug besucht. Der Campingplatz liegt idyllisch und naturnah auf einer ruhigen Halbinsel mitten im Saggat und verfügt über Stellplätze für Wohnwagen, Wohnmobile und Zelte. Außerdem gibt es 19 Blockhütten unterschiedlicher Kategorien im typischen Schwedenstil. In unserem Blogbeitrag „Camping unter Nordlichtern in Årrenjarka“ findet ihr einen sehr ausführlichen Bericht zu dem Feriendorf (mit vielen Nordlichtfotos). Von Årrenjarka sind es nur 17 km bis nach Kvikkjokk. Auf dem Weg dorthin lohnt sich ein Abstecher zum Brudslöjan Wasserfall, der auf einer circa 2 stündigen Wanderung entdeckt werden kann. Wer das Auto lieber stehen lassen möchte, kann auf dem alten Postweg nach Kvikkjokk wandern. Die 21 km lange, lohnenswerte Wanderung kann durch einen kleinen Umweg zum Kuossaure, einem einsamen Bergsee mit Sandstrand, verlängert werden. Mit dem Bus kommt ihr wieder zurück ins Feriendorf.

In Kvikkjokk selbst könnt ihr in der STF Kvikkjokk Fjällstation übernachten oder daneben zelten. Außerdem darf man auf dem großen Parkplatz oberhalb der Fjällstation mit einem Wohnmobil oder Campervan campieren. Das Kaskaivo Resort vermietet zudem zwei gemütliche Holzhütten.

Unser Fazit: Kvikkjokk und das Delta des Kamajokk

Egal, ob ihr mit Lappland lange, abenteuerliche Wanderungen oder eine gemütliche Holzhütte am See verbindet: Kvikkjokk kann beides! Tagsüber auf den Prinskullen wandern, anschließend einen Fisch im Saggat fangen und am Lagerfeuer grillen? Mit den Skiern Elchspuren im Schnee verfolgen und danach eingekuschelt von der Terrasse der Blockhütte Nordlichter beobachten? Oder doch mehrere Tage auf dem Kungsleden trekken? Die Region rund um Årrenjarka und Kvikkjokk ist relativ einfach zu erreichen, bietet genug Infrastruktur für einen gemütlichen Urlaub und gibt euch trotzdem noch einen Einblick in die weite und unberührte Landschaft Schwedisch-Lapplands. Wir würden jederzeit wiederkommen!


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>> Camping in Årrenjarka klingt klasse? Mehr Informationen dazu findet ihr in unserem Beitrag „Camping unter Nordlichtern in Årrenjarka“.

>> Einen Roadtrip nach Schwedisch-Lappland planen? Unter Reiseplanung & Vorbereitung für einen Roadtrip nach Lappland geben wir euch einen Einblick, wie wir uns kurzfristig auf die Reise eingestimmt haben.


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